Die Corona-Pandemie ist aktuell das alles beherrschende Thema. Die Einschränkung des öffentlichen Lebens in Deutschland und weiten Teilen Europas trifft die Wirtschaft heftig. Die Folgen sind nur schwer prognostizierbar. Die Finanzmärkte reagieren nervös mit hohen Kursabschlägen, vor allem bei Aktien und Unternehmensanleihen. Die Altersversorgung in Deutschland wird dadurch auch betroffen sein. Viele Auswirkungen werden sich jedoch erst in den kommenden Wochen und Monaten konkretisieren. Nachsehend ein erster Überblick über die möglichen Auswirkungen für die Pensionsrückstellungen deutscher Unternehmen:
Dramatischer Anstieg der Renditesätze von Unternehmensanleihen
Seit Jahren leiden die Unternehmen unter einem immer weiter sinkenden Rechnungszins, da die Pensionslasten in der Bilanz dadurch steigen. Die für die Berechnung der Pensionsrückstellungen maßgeblichen Zinssätze leiten sich aus der Rendite erstklassiger Unternehmensanleihen mit langer Laufzeit ab. Im Konzernabschluss nach internationalen Regeln (IFRS) erfolgt eine Bewertung zum stichtagsaktuellen Niveau. Im Abschluss nach HGB werden die Renditen jedoch über die letzten zehn Jahre geglättet. Ende 2019 / Anfang 2020 hat das Renditeniveau ein extrem niedriges Niveau nahe Null erreicht. Doch nun sorgt die Corona-Pandemie für eine Wende. Seit dem 10. März ist ein drastischer Anstieg der Renditesätze zu verzeichnen. Bis zum 25. März hat sich das Renditeniveau um rund ein Prozent erhöht und damit mehr als verdreifacht. Für Unternehmen mit einer Bilanzierung nach internationalen Rechnungslegungsstandards ergeben sich unmittelbare Auswirkungen. Die maßgeblichen Zinssätze werden zum Abschlussstichtag 31. März 2020 voraussichtlich deutlich steigen. Positive Auswirkung: Höhere Zinssätze führen zu niedrigeren Verpflichtungswerten und sorgen so für eine Entlastung der Bilanzen. Die Effekte werden dabei als sogenannte versicherungsmathematische Gewinne direkt im Eigenkapital erfasst.
Auswirkungen in Abschlüssen nach HGB
Nach HGB werden die Auswirkungen durch die Glättung über zehn Jahre nicht unmittelbar zu spüren sein. Aber auch hier könnte sich der bisherige Abwärtstrend im Rechnungszins über die kommenden Monate verlangsamen. Wie stark die Auswirkungen sind, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt allerdings noch nicht seriös vorhersagen. Dies hängt maßgeblich davon ab, wie lange die aktuellen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie aufrechterhalten werden, wie stark die dadurch ausgelöste Rezession der Wirtschaft ausfällt und wie sich diese Gesamtlage auf das Zinsniveau auswirkt. Erste Musterberechnungen zeigen, dass der zehnjährige Durchschnittszins zum 31. Dezember 2020 um fünf bis zehn Basispunkte höher ausfallen könnte als bislang angenommen (bisherige Schätzungen liegen bei 2,29 Prozent). Für den aufwandswirksamen Zinsänderungseffekt könnte dieser Anstieg zu einer deutlichen Entlastung um bis zu 25 Prozent im Geschäftsjahr 2020 führen. Bei einer Rückstellung von aktuell 500.000 Euro bedeutet das eine Entlastung der Gewinn- und Verlustrechnung um bis zu 10.000 Euro.
Anstieg des Renditeniveaus: Kurz- bis mittelfristiger Effekt
Nach Einschätzung diverser Experten handelt es sich beim Anstieg des Renditeniveaus zunächst um einen kurz- bis mittelfristigen Effekt. Die Märkte preisen in der aktuellen Marktsituation ein erhöhtes Ausfallrisiko für Unternehmensanleihen ein. Mittelfristig könnten Anleihen mit besonders starken Risikozuschlägen sogar ihr erstklassiges Rating verlieren. Dann wären sie nicht mehr für die Ableitung der Rechnungszinssätze für Pensionsverpflichtungen relevant. Was dies für den Rechnungszins bedeutet, ist noch nicht abschätzbar. Viele Experten sehen langfristig den Trend zu fallenden Zinsen jedoch eher noch verstärkt. Grund: Die großen Notenbanken haben durch Maßnahmen in den letzten Tagen die Leitzinsen gesenkt (FED) beziehungsweise die Liquidität deutlich ausgeweitet (EZB) und damit das Zinsniveau langfristig weiter abgesenkt. Nicht auszuschließen, dass die Renditen für Unternehmensanleihen wieder deutlich fallen, sobald die Panik aus den Märkten verschwindet.
Konsequenzen für Pensionsvermögen
Die aktuelle Marktlage wirkt sich jedoch auch auf die Vermögen zur Finanzierung der Pensionsverpflichtungen aus. Deckungs- beziehungsweise Planvermögen wird in der Bilanz zum Zeitwert berücksichtigt. Hält ein Unternehmen solches Vermögen in Form von kapitalmarktnahen Assets, beispielsweise Aktien oder Fonds im Rahmen eines Treuhand-Modells, eines sogenannten Contractual Trust Arrangements (CTAs), dürften die Kursverluste der vergangenen Tage zu einem deutlichen Rückgang des Vermögens geführt haben. Der Wert von Rückdeckungsversicherungen bleibt dagegen unverändert.
Von den gesunkenen Börsenkursen werden im Übrigen auch Pensionsverpflichtungen betroffen sein, die auf einen kapitalmarktförmigen Pensionsfonds ausgelagert wurden. Auch wenn solche mittelbaren Verpflichtungen nicht bilanziert, sondern im Bilanzanhang ausgewiesen werden, kann die Situation eintreten, dass das Fondsvermögen die aufsichtsrechtlichen Grenzen unterschreitet. In diesem Fall wird ein Nachschuss durch den Arbeitgeber erforderlich.